Empowerment
Power People: Najell x Almuth Schult “Ich sehe mich als Vorreiterin und bin stolz auf mich und meine Familie”
Mutterschaft und Profisport schienen lange nicht vereinbar. Sportlerinnen, wie Almuth Schult zeigen, dass sich das ändert. Ihr gelang der Wiedereinstieg in den Profifußball nach beiden ihrer Schwangerschaften. 2020 wurde sie Mutter von Zwillingen und im August 2023 kam ihr drittes Kind auf die Welt. Wir von Najell möchten Eltern bestärken, ihr Leben nach ihren eigenen Regeln zu leben. In unserer Serie Power People bieten wir inspirierenden Menschen, wie Almuth eine Plattform. Wir sprachen mit der dreifachen Mama unter anderem über die Vereinbarkeit von Familie und Karriere, ihre Zukunftspläne, und Frauenfußball in den USA und Deutschland.
Noch nicht viele aktive Profisportlerinnen in Deutschland gehen den Schritt während ihrer aktiven Karriere eine Familie zu gründen. In einer Umfrage des SWR gab die Hälfte aller Befragten an, dass die sportliche Karriere ihre Familienplanung beeinflusst. Siehst du dich selbst als Vorreiterin, um zu zeigen, dass es möglich ist, Profifußball und Familie zu vereinbaren?
Definitiv beeinflusst die Familienplanung die sportliche Karriere. Ich habe es selbst erfahren und auch mit Mitspielerinnen darüber gesprochen. Viele werden durch den Sport später Mütter, als es sonst der Fall gewesen wäre. Und die, die Mütter geworden sind, haben einen Teil ihrer Karriere nicht aktiv bestreiten können, weil sie zwangsläufig eine Pause durch die Schwangerschaft eingelegt haben. Ja, in gewisser Weise sehe ich mich als Vorreiterin. Ich bin stolz auf mich und meine Familie.
Viele Eltern, vor allem Frauen, haben das Gefühl, dass sie sich zwischen ihrer Karriere und einer Familie entscheiden müssen. Hattest du jemals Zweifel? Und wenn ja, was hast du getan, um sie zu überwinden?
Zweifel kann ich vollkommen nachvollziehen. Es gibt keine Garantie, dass man die Karriere im gleichen Maß fortsetzen kann, wie zuvor. Ich habe diese Entscheidung ausführlich mit meinem Mann und meiner Familie besprochen und von Anfang vermittelt bekommen, dass wir als Familie zusammenhalten und alles, was möglich ist, möglich machen. Das hat mir und uns ein gutes Gefühl gegeben. Und als die Kinder dann da waren, gab es sowieso keinen Zweifel mehr an der Entscheidung (lacht).
Fotonachweis: VfL Wolfsburg
Profisport ist kein klassischer Nine-to-Five Job. Wie bringst du deine Karriere und dein Familienleben unter einen Hut? Und hast du einen Rat, den du anderen in ähnlichen Situationen geben kannst?
Organisation ist alles! Natürlich ist durch die Kinder mehr Verantwortung dazu gekommen. Aber man muss das Leben nicht neu ausrichten, sondern es nur innovativ denken und organisieren. Natürlich ist es manchmal anstrengend, aber die Kinder geben einem so viel zurück und zeigen, dass es Wichtigeres gibt als sportlichen Erfolg. Mein Rat ist: Immer gelassen bleiben! Es wird sich eine Lösung finden, die sich gut anfühlt. Meine Kinder begleiten mich oft bei Jobs und beim Sport, dafür bekomme ich immer mehr Verständnis entgegengebracht. Ein gutes Gefühl und Kinderlachen sind das Wichtigste. Die meisten Spielerinnen lieben die Kinder und freuen sich sie zu sehen. Natürlich gibt es auch Spielerinnen, die nicht interessiert sind, was vollkommen in Ordnung ist.
Du bist seit April beim HSV unter Vertrag und kehrst damit zu deinem ersten Profiverein zurück. Damit bist du die erste Spielerin weltweit, bei der die neue Regel eines Wechsels außerhalb der Transferperiode nach dem Mutterschutz angewendet wurde. Was sollten die FIFA und der DFB noch tun, um Müttern den Wiedereinstieg in den Profifußball zu erleichtern?
Mir war es zuerst gar nicht bewusst, dass ich die Erste weltweit bin, aber es macht mich stolz. Ich habe ein bisschen am Prozess mitgearbeitet, als die Regel von der FIFPRO (Internationaler Verband der Profi-FußballerInnen) an die FIFA empfohlen wurde und hätte in dem Moment niemals gedacht, selbst davon zu profitieren. Die Regularien sind gut, aber es gibt noch viel Verbesserungspotenzial. Zum Beispiel Forschung zum Training während der Schwangerschaft oder zum optimalen Wiedereinstieg nach der Geburt. Genauso zu Regularien im Umgang mit Müttern und Kindern in den Vereinen während des Spielbetriebes oder was mit einer Schwangeren passiert, deren Vertrag ausläuft. Dazu bin ich im Austausch und gespannt, was in den kommenden Jahren passieren wird. Die USA sind beispielsweise auf Liga-Ebene schon sehr weit. Sie haben verpflichtende Regeln für alle Vereine in Bezug auf Mütter.
Du hast schon die USA angesprochen. Nach deiner ersten Schwangerschaft 2021 hast du für Angel City in Los Angeles gespielt. Unterschiedet sich das Bewusstsein für Mutterschaft und Profisport in den USA bzw. deinem Verein dort im Vergleich zu Deutschland?
Auf jeden Fall. Deutschland wird zwar immer besser, aber in den USA ist es Normalität. Beispielsweise war ich die einzige Mutter in der ganzen Deutschen Liga. Bei Angel City hatten wir allein drei Mütter in einem Verein und in der Liga viele mehr. Die Amerikanerinnen haben schon vor 20-30 Jahren im Frauenfußball ein Bewusstsein für die Wichtigkeit entwickelt und deswegen sind sie führend auf der Welt diesbezüglich.
Fotonachweis: Angel City Football Club
Du hast schon viele sportliche Erfolge gefeiert, bist zum Beispiel 2014 zur Welttorhüterin gewählt worden, hast 2016 mit dem deutschen Team Olympia-Gold gewonnen und bist Europameisterin. Was möchtest du noch erreichen?
Ich bin unheimlich dankbar für das, was ich erreichen durfte. Es geht nicht nur um Titel, sondern auch um Erlebnisse, besuchte Länder oder die vielen Freundschaften, die ich durch den Sport gefunden habe. Der Weltmeistertitel ist zwar “nur” im Juniorenbereich, aber man muss demütig bleiben. Ich habe einen tollen Mann, drei gesunde und fröhliche Kinder, eine wunderbare Familie und einen Job, der mir Spaß macht. Was kann es mehr geben?