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Expertenwissen von Hebamme Maike Campen: Alles, was du über das Füttern von Babys wissen musst

Expertenwissen von Hebamme Maike Campen: Alles, was du über das Füttern von Babys wissen musst  

Maike Campen ist freiberufliche Hebamme aus Köln und bietet, neben Geburtsvorbereitungskursen und Rückbildungsgymnastik auch Beratungen zu Beikost an. Wir haben mit ihr über verbreitete Mythen bei Babynahrung, Baby-Led-Weaning (BLW), Lebensmittelallergien und Mom-Shaming gesprochen.

Als Hebamme stößt du wahrscheinlich oft auf Missverständnisse über die Ernährung von Säuglingen. Könntest du einige der am weitesten verbreiteten Mythen nennen und sie entkräften?  

"Eine Sache, die ich zum Beispiel nicht verstehe, sich aber wacker hält ist, warum wir so früh mit der Beikost beginnen. Oft schon nach der U4 (dritter bis vierter Monat). Die Empfehlung wäre eigentlich sechs Monate Muttermilch oder Pre-Nahrung. Es stimmt nicht, dass man ein Kind mit vier Monaten schon füttern muss, da müssen wir definitiv gerade viel aufklären, um die Kids nicht zu überfordern! 
Ein weiteres Beispiel ist, dass man sagt: “Füttre Brei, dann schläft ein Baby durch”. Das ist definitiv nicht der Fall. In der Regel fordert ein Kind beim Beikoststart auch erstmal mehr Milch, das ist ganz normal. Es bedeutet nicht, dass wenn es Brei bekommt, auf einmal super durchschläft. Der Schlaf hängt mit vielen anderen Faktoren zusammen, wie der Gehirnreife."  

Kann es passieren, dass das Baby keine feste Nahrung mag? Und was empfiehlst du Eltern zu tun, wenn ihr Baby sich im sechsten Monat weigert, feste Nahrung zu essen?  

"Ja und das ist bei einem sechs Monate alten Baby absolut kein Problem. Wir sind mindestens 12 Monate lang Säuglinge. Darum wäre eigentlich Milch unser Hauptnahrungsmittel. Durch die wahnsinnig vielen Entwicklungsphasen im ersten Lebensjahr kann es sein, dass ein Kind überfordert ist und grade keine Lust hat zu essen oder überhaupt essen zu lernen. Irgendwann klappt es aber, manchmal müssen wir Geduld haben. Die Spanne, wann ein Kind bereit ist, ist gigantisch! Mal im fünften bis sechsten Monat und manchmal erst im 12./13. Das ist völlig okay!"

Wann ein Baby anfängt feste Nahrung zu essen, ist also ganz individuell. In verschiedenen Ländern werden dazu auch unterschiedliche Empfehlungen gegeben. Gibt es jedoch allgemeine Reifezeichen für den Beikoststart? Wie merke ich das mein Baby bereit für Brei ist? 

"Es gibt definitiv echte Reifezeichen, aber auch „unechte“ wie zum Beispiel „Mein Baby schaut mir jeden Bissen vom Löffel“. Kinder lernen durch Nachahmung, darum müssen sie natürlich gut beobachten was Mama/Papa da machen! Man muss auch unterscheiden, dass der Start für Brei viel früher möglich ist als für BLW!  

Echte Reifezeichen für Beikost sind zum Beispiel: 
- dein Kind kann annähernd allein sitzen oder, mit etwas Unterstützung, gut auf dem Schoß 
- dein Kind hält den Kopf stabil und ist kein „Wackeldackel“ 
- beide Hände können ganz gezielt zueinander und zum Mund geführt werden 
- echtes Interesse Neues zu lernen, also keine Ablenkung durch Infekt, Zahnen oder Sprünge" 

Du hast gerade schon BLW, das sogenannte Baby-Led-Weaning angesprochen. Das ist Eine Alternative zum klassischen Füttern mit Löffel, bei dem die Eltern dem Baby Fingerfood anbieten und es von Anfang an selbst essen lassen. Natürlich sind beide Arten, feste Nahrung einzuführen, in Ordnung. Aber wenn es um BLW geht, gibt es vielleicht mehr Fragen. Welche Lebensmittel sind deiner Meinung nach für BLW geeignet und welche nicht? Womit kann man anfangen? 

"Gute Lebensmittel für BLW sind solche, die das Baby leicht greifen und sicher kauen oder lutschen kann. Das können weich gekochtes oder dampfgegartes Gemüse wie Brokkoli, Zucchini, Möhre oder Pastinake sein. Aber man kann auch Kartoffeln, Nudeln, Käse, gekochte Eier oder grätenfreien Fisch (Lachs) reichen, Avocado oder man kocht zum Beispiel Baby Pancakes und Milchreisschnitten. Harte Lebensmittel, an denen man sich leicht verschlucken kann eigenen sich nicht!" 

Woher wissen Eltern, dass ihr Kind mit BLW genug Nahrung und Nährstoffe zu sich nimmt? Sollten sie die Nahrung mit Milch oder Brei aufstocken? 

 "Das ist schwer pauschal zu sagen. Eigentlich ergibt es sich immer von allein. Die Kinder würden nicht hungern, sondern Milch einfordern. Und das bleibt automatisch aus, wenn sie sich satt gegessen haben." 

Wie sollten sich Eltern verhalten, wenn sie den Verdacht haben, dass ihr Baby beim Füttern oder bei BLW auf bestimmte Lebensmittel allergisch reagiert? Wie äußert sich eine Lebensmittelallergie bei Babys? 

"Richtig starke Allergien mit symptomatischer Schwellung von zum Beispiel Mundschleimhaut, oder gar Schock, sind Gott sei Dank sehr selten. Häufig und zu erwarten sind Hautirritationen, wie neurodermitisartige Ekzeme. Die Haut und der Darm sind wichtige Immunorgane, da ist es klar, dass sie auf fremde Sachen reagieren. Keine Panik, ein wunder Po, Ekzeme und auch Rötungen um den Mund sind nicht selten. Man kann testen welche Reaktion auf zum Beispiel Möhre kommt und bei Bedarf mit dem Kinderarzt Rücksprache halten." 

Weiterlesen: Nahrungsmittelallergien und Babys: Die wichtigsten Anzeichen

Wie beim Stillen gibt es auch beim Beikoststart viele verschiedene Meinungen, und manche Eltern kritisieren andere, weil sie es nicht so machen, wie sie. Das nennt man Mom-Shaming, Mom-Bashing oder Parent-Shaming. Wie reagiert man am besten auf solche Kommentare?  

 "Ja, das ist tatsächlich gerade im Social Media Bereich noch größer, weil man sich nicht Face-to-Face sieht, sondern von außen bewertet. Das ist einfach nicht cool. Ich sage meinen Müttern immer: “Cool moms don’t judge”. Kinder sind so unterschiedlich im ersten Lebensjahr, gerade zwischen sechstem und zwölftem Monat. Das sieht man auch in Krabbelgruppen und ich versuche in meinem Umfeld und auch auf meinem Kanal alle ein bisschen zu entspannen und runterzuholen. Weil dieses Vergleichen einfach stressig ist und völlig unnötig. Man fühlt sich einfach schlecht und ich finde jeder Weg ist richtig, solange es den Kindern damit gut geht. Das ist ein großes Thema und da müssen wir, glaube ich, alle weiter dran arbeiten. Dass es ein bisschen weniger Bewertungen gibt." 

Vielen Dank für deine Expertise! Zum Schluss noch eine letzte Frage: Wann sollten Eltern eine Beikostberatung aufsuchen, wie du sie anbietest?  

"Ich glaube man findet ganz viele gute Infos auch schon so. Auch auf meinem Profil gibt es eigentlich alles, wenn man sich die Mühe macht, alles zusammen zu suchen an Beiträgen, was man braucht. Abes es gibt Eltern, die besonders unsicher sind, die vielleicht eine Vorgeschichte haben oder selbst sehr allergisch sind. Das Thema verschlucken kann auch große Angst bergen. Deswegen holen sie sich gern Profis an die Seite und es ist prinzipiell natürlich nie verkehrt, sich damit auseinanderzusetzen. Wir können viele Tipps auch drumherum geben, zum Thema Verdauung, wie verändert sich der Schlaf mit Brei, was sind zu erwartende Begleiterscheinungen. Schaden kann es nie, gut informiert ins Beikost-Game zu starten!"